War denn Geburt nicht schon immer schmerzhaft?

Nein, war sie nicht, es gibt Berichte schon in der Bibel, im Alten Testament, in denen Frauen in weniger als 3 Stunden ihre Kinder bekommen haben. Und von Schmerzen ist keine Rede. Leider haben eine Reihe von Entwicklungen dazu geführt, dass die Realität vieler Frauen in der Vergangenheit und auch heute noch anders aussieht. Es geht nicht darum jemandem die Schuld daran zu geben, wie es dazu gekommen ist, dass der Glaube an Schmerzen bei der Geburt so tief in der Menschheit verankert ist. Es geht darum Licht ins Dunkel zu bringen und mit den Mythen aufzuräumen, weshalb viele Frauen immer noch glauben, dass die Schmerzen normal und unvermeidbar sind.

Hast du schon mal von der Venus von Willendorf gehört? Sie ist ein bekannter Fund und ca. 30.000 Jahre alt. Und es gibt mehr als nur sie. Diese Darstellungen zeigen oft füllige Frauen mit deutlich runden Bäuchen. Die Menschen sahen die Geburt als die höchste Erscheinungsform der Natur. Sie war vielmehr ein religiöser Ritus als ein schmerzvolles Ereignis, zu dem sie später geworden ist. Die Frauen sind verehrt worden, weil sie Leben geben konnten. Das zeigen viele historische Malereien.

Natürlich gibt über die Bedeutung keine exakten Aufzeichungen, weil es schon sehr lange her ist.

Aber es gibt sie aus der Zeit ca. 400 Jahre vor Christus. In Griechenland lebte der Arzt Aristoteles. Er gilt als der berühmteste Arzt des Altertums und Vater der modernen Medizin. Er glaubte, dass die Bedürfnisse und Gefühle der Frauen während der Geburt wichtig und zu respektieren waren. Er war der erste, der einen formalen Unterricht für Hebammen erstellt hat und in seinen Aufzeichnungen findet sich kein Wort zu Schmerzen während der Geburt. Kann es sein, dass er das einfach übersehen hat? Oder war es in der damaligen Zeit normal, dass eine Geburt schmerzfrei war, wenn sie nicht gestört wurde? Im Falle von Komplikationen beschrieb Aristoteles, dass die Frau in einen entspannten Zustand zu versetzen sei, da der spezielle Umstand so gelöst werden konnte.

Das klingt schön, oder?

Leider hat sich das ca. 200 nach Christus geändert, ironischerweise durch die Religion der Nächstenliebe. Fehlgeleitete Christen fingen an, die Rolle der Frau in der Religion und in der Gesellschaft neu zu bestimmen und zerstörten Tempel der Menschen, die die Natur verehrten und stigmatisierten sie als heidnisch. Natürliche Heilmethoden wurden verbannt und Heilerinnen und Hebammen verfolgt und als Hexen verbrannt. Den Ärzten war es untersagt Frauen bei der Geburt beizustehen und so waren die Frauen währenddessen isoliert und einsam. Selbst bei Komplikationen kam ihnen niemand zur Hilfe. So wurde die Geburt von einer Feier des Lebens, was sie einmal war, zu einer gefürchteten Qual für die Frauen.

Um die gleiche Zeit kam der heute als „Evas Fluch“ bekannte Absatz in die Bibel: „mit Schmerzen sollst du Kinder gebären“. Interessant ist, dass das Wort ezev, das in dem Zusammenhang mit gebären mit Schmerz übersetzt wird, an anderen Stellen in der Bibel mit „Anstrengung“ oder „Arbeit“ übersetzt wird. 

Jahrhunderte später erst, im 16. Jahrhundert, wurde die Geburtshilfe wieder praktiziert. Da es als unehrenhafte Tätigkeit angesehen wurde, waren es nur Frauen, die die Gebärenden unterstützten. Der Glaube an Schmerzen bei der Geburt muss noch immer tief verankert gewesen sein, weil Martin Luther den Hebammen den Namen „Wehmütter“ gab – Mütter des Leides.

Es dauerte bis ins späte 18. Jahrhundert, bis Queen Viktoria darauf bestand Chloroform während der Geburt verabreicht zu bekommen. Was gut gemeint war, entpuppte sich als nächstes Problem für die Frauen. Geburten wurden ins Krankenhaus verlagert, da Schmerzmittel nicht zuhause verabreicht werden konnten aufgrund schlechter Überwachung der Wirkung. Im Krankenhaus erhofften die Frauen sich Sicherheit und gute medizinische Behandlung, doch das Konzept der Hygiene war noch nicht bekannt und so starben viele Frauen an Infektionen, „Kindbettfieber“ genannt. Dass dieses Kindbettfieber bei Frauen, die zuhause ihre Kinder auf die Welt brachten, viel weniger vorkam, war kein Anlass das bestehende System in Frage zu stellen.

Mitte des 19. Jahrhunderts waren es mehrere Frau, die unabhängig voneinander sehr dazu beigetragen haben, dass die Geburtsumstände sich wieder ins positive verändert haben. Sie haben Geld gesammelt und Schulen für Hebammen eingerichtet und sie bestanden darauf, dass Entbindungsstationen Hygienestandards einführten. Sie sorgten auch dafür, dass die Frauen freundlich und mit Respekt behandelt wurden. Doch leider war es dafür schon zu spät: Die Geburt war im Krankenhaus angekommen und Eingriffe wie die Verabreichung von Anästhetikum wurden zum Standard.

Auch heute sind viele Ärzte, Hebammen und die Frauen selbst davon überzeugt, dass eine Geburt schmerzhaft sein muss und dass das Krankenhauspersonal dafür verantwortlich ist, ihnen die Schmerzen zu erleichtern und sie durch die Erfahrung bringt. Das ist einfach das, was sie jeden Tag sehen. Und sieh es so: Es ist ein Segen, dass es die Mittel gibt, die Ärzte heute zur Verfügung haben. Dafür sollten wir sehr dankbar sein.

Und wir sollten dafür dankbar sein, dass wir in einer Zeit leben, in der die Frau sich bewusst dafür entscheiden kann, wie sie sich auf ihre Geburt vorbereitet. Ich weiß, das Thema heute war vielleicht das schwierigste von allen, aber es ist wichtig zu akzeptieren, dass es anders sein kann und auch schon mal anders war.

Und wir können dankbar sein, dass wir in der heutigen Zeit leben.

Am besten gönnst du dir einen Moment der Ruhe und spürst für was du alles dankbar bist in deinem Leben.